Was geschieht wirklich?
Wir erwarten stets, die neuesten Nachrichten sofort zu hören. Dies lässt keine Zeit zum Überprüfen der Fakten. Selbst Nachrichtenquellen mit gutem Ruf neigen dazu, wichtige Fakten falsch aufzufassen, in ihrer anfänglichen Beschreibung von jeglichen traumatischen und unerwartetem Ereignis. Wir verarbeiten gerade einmal einen Bericht nachdrücklich in unserem Gehirn, reagieren emotional, schreiben Briefe und spenden…. und dann ändert sich der Bericht.
Verschiedene Nachrichtensender erzählen sehr verschiedene Geschichten. Einige stimmen nicht einmal in den grundlegenden Fakten überein. Wer ließ das Saringas frei, das so viele Zivilisten in Syrien getötet hat? Ist menschliches Handeln tatsächlich für den Klimawandel verantwortlich? Wie verhält sich die Mordrate in den USA mit der in hoch entwickelten Ländern, die Handfeuerwaffen stringenter regulieren?
Nachrichtenquellen entscheiden auch sehr verschieden darüber, welche Geschichten sie erzählen. Einige konzentrieren sich auf die wirtschaftlichen Vorteile der hydraulischen Frakturierung und dem Grad, zu welchem die Verschmutzung der Atmosphäre vermindert werden kann, indem man Erdgas anstelle von Kohle verbrennt. Andere konzentrieren sich auf die Fälle, wo der Extrahierungsprozess das Trinkwasser kontaminiert und große Mengen Methan und anderer Treibhausgase freigesetzt hat.
Diese Unterschiede verkomplizieren unsere Versuche, gegenwärtige Ereignisse mit Leuten zu diskutieren, die verschiedene Ideologien haben. Bevor wir uns in eine heftige Diskussion stürzen, weichen wir meist einen Schritt zurück und fragen, welche Geschichten die andere Person gehört hat.
Was zählt wirklich?
Ben Hecht hat einst gesagt: “Versuchen herauszufinden, was in der Welt geschieht, indem man Zeitung liest, ist so wie versuchen, die Uhrzeit abzulesen, indem man sich nur den Sekundenzeiger ansieht.”
Das selbe könnte man vom Fernsehen, Radio und Web-Neuigkeiten behaupten. Viel “Nachrichten” -Zeit wird Gossip über Stars und Sternchen und Filmkritiken gewidmet. Ernsthafte Geschichten neigen dazu, sich auf spektakuläre, unmittelbare Ereignisse zu konzentrieren. Kriege und Wahlen werden in den Nachrichten stark gedeckt, mit mehr Fokus auf die Momentveränderungen hinsichtlich der Taktik als über die Hintergründe der Themen, die involviert sind. Der Klimawandel ist nicht so oft in den Nachrichten, weil er allmählich und konstant ist und wir selten fähig sind, die Schuld dafür irgendeinem besonderen zerstörerischen Sturm zu geben. Wir hören viel mehr über die unerwarteten Fluktuationen des Markts als über die grundlegenden Annahmen, Wachstums- und Rückgangsphasen unserer Wirtschaftssysteme. Manchmal hilft es, sich diesem Nachrichtenfluss für eine Weile zu entreißen und die Hintergründe, die uns am meisten interessieren, zu lesen.
Wie viel können wir verarbeiten? Wie reagieren wir?
Das Wissen über Ungerechtigkeit kann uns motivieren, für soziale Veränderungen zu arbeiten und das Wissen über das Leiden von Flüchtlingen und Katastrophenopfern kann uns inspirieren, eine Hilfestellung zu leisten. Derartiges Wissen kann uns aber auch entfremden. Die Journalistin Susan Moeller hat umfangreich über das “Mitgefühlserschöpfungssyndrom” geschrieben, wo ein konstanter Fluss an traumatischen Bildern und Leiden uns hilflos fühlen lässt und wir dann den Fernseher abschalten wollen. Es kann sein, das wir besser damit fertig werden, wenn wir einen gewissen Kontext haben und wissen, wie wir den Schaden, der beschrieben wurde, mindern. Sich Zeit zu nehmen, dies in manchen Bereichen zu tun, kann bedeuten, dass wir uns erlauben, andere Geschichten in anderen Bereichen nicht zu verfolgen.